Ich war ein schlechter Schüler. Nur durch den Posaunenchor hielt ich es am ESG aus. Aber wir waren (fast) durchweg gute Freunde. Einige sind schon gestorben. Wir sind eben alt.
Meine „Karriere“ im Posaunenchor begann mit zwölf Jahren 1960 auf einem alten, ziemlich angegrauten Kuhlo-Flügelhorn. Helmut Eickholz – ein sehr bekannter Gütersloher und Freund des Posaunenchors – war dann mein Lehrer. Und so ging es mit dem Flügelhorn und einer ausgeliehenen Trompete weiter. Wir bliesen nur drei Musikgattungen: Choräle, Volkslieder und Märsche, die schon in der Nazizeit geblasen wurden (Dass die Märsche durch ihren Missbrauch im Dritten Reich hochproblematisch waren, hat uns niemand gesagt. Ist es nicht zumindest verstörend, dass auch heute noch der Posaunenchor seine musikalische Identität und Erkennungsmusik im Petersburger Marsch findet?)*. Einen Auftritt hatten wir bei den Schulfesten in Wildmanns Garten mit munterer Musik. Dann begannen die Weihnachtskonzerte (zunächst in der Aula, dann in der Martin-Luther-Kirche). Wichtiger aber wurde das Adventsblasen jeden Adventssonntag in der Frühe an vielen Stellen der wohlhabenden Bürger und auch für solche Leute, die alt und krank waren. Jene Zuhörenden – die mit dem dicken Geldsack – gaben relativ reiche Geldgeschenke, so dass das Adventsblasen für manchen von uns recht gerne wahrgenommen wurde – auch von mir. Das Adventsblasen wurde 1963 von Volker Wilmking, dem damaligen Präsiden (+) und mir angestoßen. Es hätte diakonischer (hilfsbereiter) sein müssen.
Mein eigenes Fortschreiten mit der Trompete habe ich besonders Hans Ligensa – Trompeter im Bielefelder Orchester – zu verdanken. Seine Trompetenstunden befähigten mich 1965 dazu, den Wettbewerb „Jugend musiziert“ im Regionalwettbewerb OWL und im Landeswettbewerb NRW zu gewinnen. 1967 kam der erste Preis beim Bundeswettbewerb hinzu. Dieser Erfolg überdeckte im Juni 1967 mein sehr mageres, im selben Monat empfangenes Abiturzeugnis.
Zum Posaunenchor gehört es wohl, ein oft angespanntes Verhältnis zur Schulleitung und zum Kantor der Kantorei zu haben. Dabei ging es immer wieder um die Unabhängigkeit des Posaunenchors. Die Befürchtungen waren nur selten berechtigt. Aber Kantor Wagner und Oberstudiendirektor Hajek waren nicht gerade Freunde des Posaunenchores. Ein ganz verlässlicher Freund für uns aber war der Musiklehrer Arnold Möller, der selber einmal dem ESG-Posaunenchor angehörte. Er hat manchem Präsiden das Dirigieren beigebracht. Nun habe ich heute den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen dem Posaunenchor und der Schulleitung (spätestens seit dem Wirken des Direktors Dr. Engelen) „fortschrittlich“ ist.
Der ESG-Posaunenchor hat einen Platz in meinem Herzen und hilft mir, die schönen – nicht alle sind „schön“ – Erinnerungen an meine Schulzeit (1958 – 1967) wach zu halten.
Ich habe einen Wunsch: Die Posaunenchoräle vor oder nach dem Schulgottesdienst – oben vom Türmchen gespielt – möchte ich einmal wieder hören.
Prof Dr. Rolf Wischnath
Generalsuperintendent a. D. der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg
*Anmerkung der Redaktion: Der Petersburger Marsch ist nach unserer Recherche politisch unbelastet und ist auch in der Marschliste der Bundeswehr enthalten. Es ist kein Bezug zur NS-Zeit bekannt.
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