Präside ohne Musik: Die Corona-Zeit

Der Posaunenchor wird in diesem Jahr nun 150 Jahre alt – ein besonderes Jubiläum. Es ist mir daher eine Ehre, dass in meine Zeit das Jubiläum fällt, aber es ist auch eine große Verpflichtung und eine Bürde! Wir hätten gerne ein großes Jubiläumskonzert mit vielen Altschülern geplant. Aber das muss natürlich Corona-bedingt ausfallen. Der Posaunenchor bedeutet für mich persönlich eine Menge – viele schöne Erinnerungen und Erfahrungen habe ich bereits als Mitglied und nun in 12 Monaten Präside gesammelt. Aber meine Präsidenzeit läuft so ganz anders als gedacht und erhofft – darüber, was die Pandemie für den Posaunenchor bedeutet und was uns als Chor ganz allgemein eigentlich auszeichnet, möchte ich im Folgenden sprechen.

Als ich Anfang 2020 mit dem Dirigentenunterricht bei Horst Reinkemeier angefangen habe, konnte sich noch niemand vorstellen, dass wir ab März erstmal für mehrere Monate nicht mehr in die Schule gehen würden und damit der Posaunenchor auch nicht mehr proben könnte. Ich wusste zu dem Zeitpunkt auch noch nicht, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf meine Zeit als Präside haben werden würde, und wie sich diese von anderen Präsiden unterscheidet. Der Posaunenchor hat schon viele schwierige Zeiten erlebt, auch Zeiten ohne die Möglichkeit zu proben, aber so eine langandauernde Pandemie konnte sich niemand vorstellen. Normalerweise hätte die Stabübergabe zusammen mit dem Pfingstkonzert 2020 stattgefunden, welches jedes Jahr an Ibrüggers Teich am Pfingstsonntag stattfindet. Corona-bedingt musste dies natürlich ausfallen, weswegen wir uns in einer kleinen Gruppe im Stadtpark getroffen haben und Sofia, meine Vorgängerin, mir symbolisch den Dirigentenstab überreicht hat. Von diesem Zeitpunkt an war ich also nun der 97. Präside des Posaunenchores und musste schauen, wie wir am besten mit der Situation umgehen.

Ein paar Wochen nach den Sommerferien sollte es dann endlich wieder mit den Proben losgehen: Wir stellten ein Hygienekonzept auf, besorgten Desinfektionsmittel, führten Anwesenheitslisten und konnten netterweise den großen Musikraum der Schule für unsere Proben nutzen. Hätten wir in unserem eigenen Raum geprobt, hätten wir nicht genügend Abstand halten können. Neben dem Posaunenchor probte nun aber auch der Bottenchor, also der Chor für Einsteiger, im Musikraum. Es war eine Menge Aufwand, diese Proben des Posaunen- und Bottenchores an das Laufen zu bekommen. Als dies aber alles soweit geklappt hatte, ging es nun ran an die Mitgliederwerbung. Der Posaunenchor braucht seit Jahren dringend neue Mitglieder, weswegen wir mit unterschiedlichen Mitteln versuchten, weitere Schüler:innen für den Posaunenchor zu begeistern. Enttäuschend war es zunächst, dass nach den Herbstferien die Proben schon wieder beendet werden mussten. Manche Schüler:innen waren erst kürzlich neu dazugekommen und erst bei ein paar Proben dabei gewesen. Es war für uns also wirklich schwierig, die Proben direkt wieder beenden zu müssen und die neuen Botten erstmal nicht mehr zu sehen.  Gemeinschaft wird beim Posaunenchor groß geschrieben und um in Coronazeiten für Mitglieder und neuen Botten ein Zeichen zu setzen, haben wir uns dazu entschlossen, kleine „Grußkarten“ mit einem Schokoladennikolaus an alle Mitglieder des Chores zu verteilen. Also gab es an einem Sonntag eine kleine „Tour de Gütersloh“. Auf der Karte waren auch ein Link und QR-Code zu unserem neuen YouTube Kanal, auf dem wir die vier Adventschoräle und „O du fröhliche“ eingespielt und hochgeladen haben.

Die Fragen gingen weiter: Als sich Weihnachten immer weiter näherte, mussten wir uns überlegen, wie wir das traditionelle Adventsblasen stattfinden lassen konnten, bzw. ob es überhaupt stattfinden kann. Dieses Adventsblasen ist immer noch eine festverankerte Tradition der Vorweihnachtszeit, deshalb fiel es uns sehr schwer, auch dieses pandemiebedingt schließlich absagen zu müssen. Den Stellenwert des Adventsblasens in der Stadt zeigte sich auch an den vielen Nachfragen, die uns im Vorfeld erreicht haben, auch von außerschulischen Kreisen. Stattdessen haben wir uns an einem späten Samstagnachmittag vor unserer Schule getroffen und alle Choräle mit genügend Abstand im Freien eingespielt und anschließend auf unsere Youtube-Kanal hochgeladen. Ähnlich wie bei unseren Mitgliedern, haben wir auch für alle Stationen des Adventsblasens kleine Grußkarten mit QR-Code für den Youtube-Kanal entworfen und in der Adventszeit verteilt. Diese Videos sollten als Ersatz für die üblichen Adventsgrüße an den vier Adventssonntagen gelten. Neben den Mitgliedern möchten wir auch den Kontakt zu den Freunden des Chores nicht verlieren.

Auch ohne das Adventsblasen haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, wie wir den Mitmenschen eine kleine Freude machen könnten. Deshalb sind wir am 4. Advent noch einmal losgezogen und haben in kleiner Gruppe bei den beiden Güterslohern Krankenhäusern und einem Altenheim unsere Adventschoräle gespielt. Damit dies auch nach so einer langen Pause auch klappt, durften wir netterweise in einer der Hallen von Firma Ahnepohl einen Samstagnachmittag proben. Dort hatten wir genug Abstand und konnten mit einem guten Gewissen wieder üben. Es hat nach dieser Pause sichtlich allen wieder Spaß gemacht, endlich wieder zusammen zu spielen. Denn auch das traditionelle Türmchenblasen musste leider ausfallen, genauso wie die Christvesper in der Schule, in der der Posaunenchor jedes Jahr mitgewirkt hat. Auch hier gab es einen Ersatz online.

Bis heute konnten wir leider nicht mehr zusammen proben geschweige denn ein Konzert veranstalten. Gerne hätten wir zu unserem 150-jährigen Jubiläum ein Pfingstkonzert mit vielen Altschülern im Stadtpark stattfinden lassen, dies muss nun aber auch leider im Jubiläumsjahr ausfallen. Meine Präsidenzeit ist ganz anders verlaufen als erwartet, bislang konnte ich mich den musikalischen Aktivitäten nur sehr wenig widmen, im Vordergrund standen organisatorische Herausforderungen. Ich hoffe, dass dies sich in den verbleibenden Monaten des Jahres noch ändern wird.

Wenn man das 125-jährige Jubiläum des Posaunenchores betrachtet, wird man feststellen, dass der Posaunenchor seinerzeit deutlich mehr Mitglieder umfasste als heutzutage. Leider erfährt der Posaunenchor in den letzten Jahren einen Mitgliederschwund. Hier müssen wir uns selbstkritisch hinterfragen. Gründe dafür könnten vielleicht mangelnde Nachwuchsarbeit in den letzten Jahren, aber auch die Umstellung von G9 auf G8 und die vielen schulischen und außerschulischen Musik- und Freizeitangebote sein. Durch G8 müssen die Mitglieder den Posaunenchor bereits ein Jahr früher verlassen als normalerweise, da auch die Schulzeit um ein Jahr gekürzt wird. Diese Jahrgänge fehlen dann natürlich sehr. Zudem scheint die Musik heutzutage einen anderen Stellenwert bei vielen Schüler:innen zu haben und es ist nicht mehr so einfach, diese für die Musik zu begeistern. Hinzu kommt, dass in Coronazeiten die Gewinnung und das Halten von Mitgliedern deutlich schwieriger geworden ist. Wie soll man Schüler:innen davon überzeugen, in unserem Chor mitzuspielen, wenn man gar nicht proben kann?

Oftmals wurde ich während meiner Amtszeit gefragt, was den Posaunenchor eigentlich ausmacht. Genauso wie ich mich Ende der sechsten Klasse gefragt habe, als ich mich dazu entschloss, dem Chor beizutreten. Die erste Antwort ist natürlich klar: Die Musik. Doch kurz dahinter, an zweiter Stelle, nenne ich direkt die Gemeinschaft, welche bei uns besonders stark vertreten ist. Dieses Gemeinschaftsgefühl hat sich über Jahrzehnte entwickelt und weiterentwickelt. Einerseits ist der Chor da, um zusammen zu proben und Konzerte zu geben, andererseits hat das Gefühl des Beisammenseins und das Miteinander einen großen Stellenwert. Ich denke, dass dies vor allem durch das Musizieren unter Schülern sowie durch die gemeinsamen außermusikalischen Aktivitäten entsteht. Beispielsweise wird im Sommer nach einer Probe schon öfters mal ein Eis gegessen oder sich noch verabredet. Dazu kommt die Pfingstfreizeit in einer Jugendherberge, auf der wir uns größtenteils intensiv auf das Pfingstkonzert vorbereiten, aber auch die Gemeinschaft stärken. Neben Proben stehen auch Besuche von Attraktionen in der Region, Fußballspiele, und andere Aktivitäten an. Den Posaunenchor machen also einerseits die Musik und seine Tradition, aber daneben auch die Gemeinschaft und der Zusammenhalt aus. Vor allem das Letztere weiß ich sehr zu schätzen. Hoffen wir, dass nach Überwindung der Corona-Pandemie diese Dinge für den Posaunenchor wieder im Vordergrund stehen.

Arne Rethage

Präside seit 2020, Mitglied im Posaunenchor seit 2016

>> zurück