Teil 5 – Ars musica und Weihnachtliche Nachtmusik

Nach meiner Präsidenzeit „durfte“ ich das ESG noch ein Jahr länger bis zum Abitur besuchen. Damit sich mein Nachfolger Martin Gentejohann frei entfalten konnte, habe ich an den Proben des Posaunenchors nicht mehr teilgenommen, was sich auch als richtig erwiesen hat. Da ich aber weiterhin musikalisch tätig sein sollte und wollte, gründeten wir eine Chor- und Orchestergemeinschaft mit Namen „Ars musica“, die in ihren Mitgliedern weit über das ESG hinausging. Mit Streichern, Holz- und Blechbläsern und einem Chor probten wir in der Christ-König-Kirche und gestalteten festliche Gottesdienste mit vornehmlich barocker Musik in den Kirchen Christ-König, St. Pankratius in Gütersloh sowie St. Peter und Paul in Bad Oeynhausen. Darüber hinaus bildete sich unter dem Namen auch eine BigBand in klassischer Besetzung (5 Saxophone, 4 Trompeten, 4 Posaunen, Keyboard, eGitarre, Baß, Schlagzeug und Percussions). Mit der BigBand, der ersten im großen Umkreis, probten wir in der Aula der Anne-Frank-Schule. Neben Freundinnen und Freunden vom ESG befanden sich unter den Band-Mitgliedern klangvolle Namen der Gütersloher Szene wie Gerry Spooner, Volker Wilmking, Johannes Füchtenkord, Martin Stork, Michael Brödel, oder Reiner und Ralf Wiedey. Unsere Arrangements hatten als Vorbilder Glenn Miller, Duke Ellington, Kurt Edelhagen, Max Greger, James Last oder auch Günter M. Noris, der wenige Jahre zuvor die Bundeswehr-BigBand gegründet hatte. Mit einem Jazz-Chor rundeten wir viele der Arrangements zu einem tollen Gesamt-Klang ab. So war für mich bis zum Abi jeder Abend ausgefüllt. Mit der BigBand gestalteten wir dann den Abend unserer Abi-Party auf Gut Langert. Es war super, aber danach war für mich Schluß. Ich widmete mich nun meinem BWL-Studium und dem Beruf.

(Konzertimpressionen von „ars musica“ 1978)

Programmheft Ars Musica – © Privateigentum

Weihnachtliche Nachtmusik

Doch eine Ausnahme sollte es geben: die Weihnachtszeit. Als Martin Gentejohann dann auch sein Abitur abgelegt hatte und anfing, Musik fürs Lehramt zu studieren, gründeten wir zusammen etwas Neues: die Weihnachtliche Nachtmusik. Zusammen mit dem katholischen Pfarrer (im Unruhestand) Franz Behler, mit dem ich über meine Organistentätigkeit und die Ars musica Kontakt hatte, suchten wir Ort und Zeit für eine neue Form eines Weihnachtsgottesdienstes im ökumenischen Geist mit viel Musik. Die erste Veranstaltung in diesem Geist fand am Heiligabend nachts um 1.00 Uhr nach dem Turmblasen am ESG in der Herzebrocker Kirche St. Christina statt. Im nächsten Jahr ging es nachts in die Christ-König-Kirche. Aber Zeit und Ort waren noch nicht ideal. Erst die Entscheidung für die Aula des ESG vor dem Turmblasen um 22.30 und einer Wiederholung in der Christ-König-Kirche am zweiten Feiertag um 10.00 Uhr setzte sich als Tradition durch. Die Kombination aus ESG, jenem Institut, in dem über Jahrzehnte von Gütersloh aus die zukünftige geistliche evangelische Elite herangezogen wurde und der katholischen Kirche in Güterslohs Arbeitsviertel zwischen Miele, Bertelsmann und Wirus, hatte in ihrer vorgegebenen Reibung einen besonderen Charme. Der kath. Pfarrer Franz Behler, der dann auch Kurator am ESG wurde, und der/die jeweilige evangelische Pfarrer/in am ESG (Hans-Jürgen Bartelheim, Astrid Ohla und Dr. Martin Schewe) standen an beiden Kirchorten gemeinsam am Altar; das war zu Beginn schon eine kleine Revolution, gerade im katholischen Umfeld und blieb auch nicht widerspruchslos. Aber die vollen Konzertgottesdienste zeigten uns, dass es eine gewisse Sehnsucht danach gab.

Der Chor, das Orchester und die verschiedensten Solisten waren Schüler, Altschülerinnen, Lehrer und musikalische Freundinnen, die z.T. aus der ganzen Welt zu Weihnachten zu uns (nach Hause) kamen, um gemeinsam zu konzertieren. Wir boten 3 Proben an den Adventssonntagen an, eine Generalprobe am Tag vor Heiligabend und dann die beiden Aufführungstage, und wir wurden eine wunderbar verschworene Gemeinschaft.

Unter den Namen der im Programm aufgeführten jeweils ca. 100 Mitwirkenden fanden sich Freunde, Ehepartner, Geschwister, ja ganze Familien. Auch die Hausherren (Pfr. Alfons Wilper und später Pfr. Viktor Primus sowie Iris Helene Hilbk in Vertretung für ihren Vater und später Dr. Ulrich Engelen mit seiner ganzen Familie) wirkten mit. Neben den bereits bei den Weihnachtskonzerten genannten Solisten glänzten besonders: Gabi Berger (Alt), Hans Joachim Büsching (Klarinette), Frauke Burg (Sopran), Yang Hoon Cho (Orgel), Nils Corßen (Posaune), Barbara Dreier (Violine), Ulrich Dreier (Cello), Ewa Dworatzek (Cembalo), Johannes Dworatzek (Cello), Rudolf Dworatzek (Violine), Gudrun Elpert-Resch (Sopran), Jeanette Giese (Mezzo), Stanley Hall (Tenor), Anna Heygster (Violine), Eva Ignatjeva (Harfe), Jan-Christopher Knufinke (Trompete), Vitali Müller (Pauken), Julia Nordmann (Sopran), Knuth Peters (Oboe), Rudolf Reimer (Tenor), Christiane Schmidt (Mezzo), Eberhard Schmidt (Violine), Sebastian Schürger (Trompete), Niklas Schluckebier (Trompete), Volker Schrewe (Bass), Beate Thiemann (Sopran), Michel Timm (Bass), Helge Tischler (Posaune), Katrin Weege (Alt), Beatrix Wemhoff (Viola), u.v.a.

Prof. Dr. Joachim Westerbarkey, der schon als Leiter des Volksliedstudios während meiner Präsidenzeit mit mir musiziert hatte, half mir seit dem Ausscheiden von Martin Gentejohann 2002 bei den Chorproben. Die Programmauswahl folgte oft einem aktuellen Jubiläumskomponisten, und die Programme und auch Notenhefte wurden entsprechend mit Hintergrundinformationen, Kernaussagen der Werke und Bildern aus der jeweiligen Zeit gestaltet.

Und die Werke und Themen waren J.S.Bachs Weihnachtsoratorium mit den Kantaten I, II, III, VI und das Magnificat; G.F.Händels Der Messias, Dettinger Te Deum, Julius Caesar, Wassermusik und Feuerwerksmusik; Antonio Vivaldis Gloria und Der Winter; J.Haydns Die Schöpfung, Sinfonie mit dem Paukenschlag, Paukenmesse und Violinkonzert in C; W.A. Mozarts Messen KV 427,317,257,66,259, Requiem, Klarinettenkonzert und Hornkonzert; F.Schuberts Messe F-dur und Lieder; F.Mendelssohn-Bartholdys Elias, Paulus, Christus und Kantate Vom Himmel hoch; C.Saint-Saens Oratorio de noel; R.Wagners Meistersingerouvertüre; Eugéne Gigouts Grand Choeur Dialogue; R.Strauss Feierlicher Einzug der Ritter des Johanniterordens; Johannes Kuhlos Choräle zum Advent. Wir gestalteten darüber hinaus die Jubiläumsgottesdienste zu 150 Jahre ESG und 125 Jahre Gymnasial-Posaunenchor in der Martin-Luther-Kirche. 2010 habe ich diese Tradition dann leider aus Zeitgründen beendet. Sie bereitet aber bis heute vielen, die daran teilgenommen haben, ein wehmütig schönes Gefühl. Die Musik, vor allem immer wieder die von Felix Mendelssohn-Bartholdy in seiner Trilogie Elias – Paulus – Christus, war für uns auch ein gemeinschaftliches Bekenntnis zu dem jüdisch-christlichen Fundament und zum Toleranzbegriff, wie er von Gotthold Ephraim Lessing der Welt in seinem Nathan (in Personifizierung des Moses Mendelssohn) der Welt vorgestellt worden ist.

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