Ein Bericht von Adrian Büttemeier

Lieber Gymnasial-Posaunenchor,

als wir zur Zeit meines Präsidenamtes (2009-2012) das 140jährige Bestehen des Posaunenchores feierten, hat sicher niemand die besonderen Umstände des 150jährigen Chorjubiläums ahnen können. Während die ganze Welt den Atem anhält, ist es auch und gerade um die Posaunenchöre besonders still geworden. Im Jahr 2016 noch von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ernannt, bescheren so manche Aerosolstudien den Posaunenchören nun ein echtes Imageproblem.

Wenn ich heute durch die Veröffentlichungen von damals blättere, kommt mir die Zeitreise deutlich länger vor als ein knappes Jahrzehnt. Uniformierte Jugendliche grinsen mich von den Gruppenfotos an, spielen mit engagiert-konzentriertem Gesichtsausdruck ihre glänzenden Instrumente und ich habe den Klang des symbolträchtigen Petersburger Marsches noch genau in den Ohren. Ich frage mich, was diese Gruppe damals wohl verbunden haben mag, welche Traditionen es heute womöglich zu überprüfen gilt und wie ein Posaunenchor sich nachhaltig für die Zukunft aufstellen kann.

Schon vor meiner Wahl zum Präsiden hat mich das Miteinander aller Jahrgansstufen im Posaunenchor schwer beeindruckt. Was in der Probenarbeit auch immer wieder zur Herausforderung wurde, bildet im Kleinen der Schülerschaft das generationenübergreifende Prinzip der Posaunenchortradition ab. Dabei war die durch Aufnahmeprüfung erlangte Mitgliedschaft im Posaunenchor durchaus exklusiv und damit im doppelten Wortsinn verbindlich.

In der autonomen Selbstverwaltung des Posaunenchores lag die Chance für alle Mitglieder, individuelle und durchaus auch außermusikalische Gaben einzubringen und zuweilen über sich hinaus zu wachsen. So manches Historisieren und die zum Teil hierarchischen Strukturen des Posaunenchores habe ich in meiner Zeit als eher störend empfunden. Ich bin überzeugt davon, dass sowohl die Gruppe als auch die Musik von einer Aufweichung dieser Strukturen und einer Überprüfung eventuell überkommener Traditionen profitieren könnten.

Letztlich ist für mich neben allen sozialen Komponenten der großartige Kulturschatz das hohe Gut, mit dem ich unter anderem Dank des Posaunenchores in Berührung kommen durfte. Zuallererst der geistlichen Verkündigung verschrieben, waren die musikalische Mitgestaltung der Gottesdienste und des feierlichen Weihnachtskonzertes echte Höhepunkte für mich. Eine so intensive Beschäftigung junger Menschen mit selbst gewählter, einstudierter und aufgeführter Musik aus zum Teil über fünf Jahrhunderten ist durchaus nicht selbstverständlich!

Mit zunehmendem Leistungsdruck an allen Fronten ist ein autonomer Schülerposaunenchor immer schwieriger zu positionieren. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich überall steigende musikalische Ansprüche mit dem gleichzeitig zunehmenden Bedürfnis nach freizeitlicher Gemeinschaft vereinbaren lassen. Tradition bewahren heißt bekanntlich nicht die Asche anzubeten, sondern das Feuer am Brennen zu halten. So birgt der Neubeginn nach der langen Probenpause sicher auch viele Chancen, etwaige Asche auszukehren und durch große Holzscheite für eine klangvolle Zukunft zu ersetzen. Ich wünsche dem Gymnasial-Posaunenchor, dass er diese Chance so nutzen wird, dass immer gelten möge: Vivat, Crescat, Floreat!

Adrian Büttemeier

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