Mit meiner Zeit im „Penne“-Posaunenchor (1964 bis 1970) verbinde ich viele positive Erinnerungen. Meine früheste stammt aus dem Jahr 1961. In diesem Jahr feierte das ESG sein 110-jähriges Bestehen. Höhepunkt der Jubiläumsfeiern war ein großer Laternenumzug durch die Gütersloher Innenstadt. Wir Sextaner freuten uns sehr, dass wir mit unseren selbst gebastelten Laternen daran teilnehmen durften und trugen sie stolz vor uns her.
Mit Tschingderassassa zogen wir unter den Klängen des Posaunenchors hinaus zum Stadtpark. Auf der großen Wiese an der Parkstraße kam der Zug zum Stehen.
Im Schein der Fackeln und Laternen bot sich uns ein eindrucksvolles Bild: Vor uns auf dem Hügel hatten sich die Bläser aufgestellt und spielten Märsche und volkstümliche Melodien. Ich bewunderte ihre schmucken Uniformen und den sehr souverän wirkenden Dirigenten. Er hieß Volker Wilmking, wie ich von Umstehenden erfuhr. „Der hat was aus dem Chor gemacht“, hörte ich sie sagen. Auch ich war begeistert vom „Penne“-Posaunenchor. Auf dem Nachhauseweg reifte mein Entschluss: „Bei denen will ich mitmachen!“
Doch zunächst kam es anders. Ich wurde in die Kantorei aufgenommen. Von nun an musste ich viermal pro Woche gegen Abend noch zu den Proben der Kantorei eilen. Dies forderte so viel Zeit, dass ich zusätzlich nicht auch noch im Posaunenchor mitmachen konnte. Erst als der Stimmbruch eintrat und ich in der Kantorei pausieren musste, hatte ich genügend Freiraum, um bei dem Profi-Musiker Manfred Ligensa Trompetenunterricht zu nehmen. Ein halbes Jahr später durfte ich im Posaunenchor in der zweiten Stimme anfangen.
Der Chor verfügte in dieser Zeit über eine Reihe sehr guter Bläser, zu denen unter anderen Rolf Wischnath und Eckhard Schrey gehörten. Ihnen eiferte ich nach. Als dann einige ältere Schüler nach dem Abitur den Chor verließen, mussten wir Jüngeren Verantwortung übernehmen und Nachwuchsbläser schulen. Gemeinsam mit August-Wilhelm Schwedler und Hans-Joachim Thalmann, später Professor an der Musikhochschule Detmold, engagierte ich mich sehr dafür. Wir wählten August-Wilhelm Schwedler zum neuen Präsiden und Wolfgang Siekaup und ich rückten in die erste Stimme auf. Mit dem lustigen und hoch talentierten „Auwi“ an der Spitze ging es schnell wieder aufwärts mit dem Chor. Unter seiner Leitung spielten wir fortan nicht nur wie eh und je die alten Märsche und Volkslieder, sondern auch fetzige moderne Orchesterstücke und anspruchsvolle geistliche Bläsermusik.
Neben dem regelmäßigen Turmblasen, den Auftritten in der Adventszeit und dem Weihnachtskonzert, nahmen wir bei Stadtfesten auch an Umzügen teil und spielten im Sommer bei Schulfesten in Wiltmann’s Garten. Besonders gern erinnere ich mich an eine Chorfahrt nach Bad Meinberg, wo wir im Kurpark die Gäste mit unserer Musik erfreuten. Organisiert hatte diesen Ausflug unser Verbindungslehrer August Köhring. Er war es, der damals immer wieder seine schützende Hand über den Chor hielt und uns gegen mancherlei Angriffe verteidigte, die sich vor allem an unserer Repertoire-Auswahl entzündeten. Statt des unfruchtbaren Streits zwischen Kantorei und Posaunenchor wäre es sicherlich hilfreicher gewesen, wenn uns der damalige Kantor und die Musiklehrer der Schule bei der Auswahl unserer Stücke unterstützt und fachlich beraten hätten.
Neben Kritik erfuhren wir aber auch viel Zustimmung: Von Lehrern, Eltern, Mitschülern und auch aus der Gütersloher Bevölkerung. So wurden wir etwa regelmäßig von Firmen und Vereinen eingeladen, bei festlichen Anlässen zu spielen. Mit Hilfe dieser „Mucken“ konnten wir die Schulden abbezahlen, die sich auf unserem Konto beim Musikgeschäft Eser angesammelt hatten. Bei Anton Eser, der die Instrumente unseres Chors reparierte, durften wir nämlich anschreiben lassen. Wie glücklich war ich, als ich eines Tages die überaus großzügige Spende des Rotary-Clubs bei Frau Eser abgeben konnte, und sie mit einem dicken schwarzen Stift unsere roten Zahlen durchstrich!
Höhepunkt meiner Zeit im Posaunenchor des ESG war zweifellos die 100-Jahr-Feier des Chors 1971. Obwohl ich schon im Sommer 1970 nach dem Abitur aus dem Chor ausgeschieden war, half ich gemeinsam mit anderen Altschülern bei der Vorbereitung des Jubiläums und schrieb für die Gütersloher Tageszeitungen einen Artikel über die Geschichte des Chors. Gemeinsam mit den Aktiven spielten zahlreiche Altschüler wie Eckhard Niemöller, Helmut Eickhoff und Hans-Joachim Schulze-Geißler beim Jubiläumskonzert auf der Freilichtbühne in „Mohn’s Park“ mit. Wir erhielten großen Beifall dafür und wurden in den Zeitungen ausgiebig gewürdigt.
Dass ich mich nach 50 Jahren an solche und andere Ereignisse unserer Zeit im „Penne“-Posaunenchor noch so lebhaft erinnere, hat neben der Freude am gemeinsamen Musizieren, die ich dort erlebte, sicher noch weitere Gründe. Zu ihnen zählt vor allem, dass wir als Jugendliche im Posaunenchor manche Freundschaften schließen konnten. Und auch, dass es dort immer fröhlich und gesellig zuging. Viel Spaß hatten wir zum Beispiel, wenn wir in kleiner Besetzung auf Geburtstagsfeiern spielten und danach noch lustig feiern konnten. Unvergessen sind mir bis heute auch die vielen fröhlichen Runden, mit denen wir älteren Schüler uns nach den Proben selbst belohnten.
So bildete die Einkehr in die Gaststätte „Zum Groben“ am Freitagabend für uns den Höhepunkt der Woche. Wenn „Auwi“ noch um 21 Uhr die große Eierplatte bestellte, erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt. Lautstark sangen wir ihm zu Ehren dann ein Danklied. Nicht selten musste uns der Wirt ermahnen, mit Rücksicht auf die anderen Gäste doch etwas leiser zu sein.
Indirekt hat der Posaunenchor übrigens auch meine weitere Biographie beeinflusst. Bei der Grundsteinlegung zum Anbau der Schule kam ich 1970 mit einem der dort anwesenden Redakteure ins Gespräch: Hubert Knaup von der „Glocke“. Er lobte meinen Beitrag über das 100-jährige Jubiläum des Chors, meinte aber, ich solle zusätzlich doch noch etwas „exklusiv“ nur für seine Zeitung schreiben. Ich sagte zu. Als ich ihm wenige Tage später den Artikel brachte, war er davon angetan und bot mir ein Stelle als Redaktions-Volontär an.
So kam es, dass ich vor meinem Studium zunächst eine Redakteursausbildung machen konnte. Erst danach begann ich in Münster mein Theologiestudium und wählte als Zweitfach die Medienwissenschaft hinzu. Dies führte dazu, dass ich später ebenfalls auf beiden Feldern beruflich tätig war, zunächst als Pfarrer und später auch als Chefredakteur der evangelischen Zeitung „Unsere Kirche“.
Heute staune ich, dass der Anstoß meines zweigleisigen beruflichen Werdegangs dieser Artikel über die 100-jährige Geschichte des Posaunenchors war, und ich meine lebenslange Begeisterung für die Musik neben der Kantorei vor allem ihm verdanke. Nun schreibe ich zum 150-jährigen Jubiläum. Vielleicht könnte dies der Anstoß dafür sein, dass sich alte Freundschaften wieder beleben und wir wieder mehr miteinander in Kontakt treten!
Möge er noch lange weiter bestehen, unser „Penne“-Posaunenchor! „Vivat, crescat, floreat ad multos annos!“
Wolfgang Riewe
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